Aufbruchstimmung an der Platte

Aufbruchstimmung an der Platte

Tischtennis: Vereine im Kreis forcieren wieder die Jugendarbeit – Rekordbeteiligung beim Hedendorfer Neujahrsturnier

[Quelle: Stader Tageblatt, 15.01.2024, Tim Scholz]

Der Tischtennissport in Deutschland leidet unter massivem Mitgliederschwund. Die Vereine im Kreis Stade wollen das ändern und beleben die Jugendarbeit. Mit Erfolg: Beim Neujahrsturnier in Hedendorf waren so viele Kinder und Jugendliche dabei wie nie.

Hedendorf. Der Satz ist zu Ende. Lennart Aschauer flüstert seinem Doppelpartner Johann von Böselager etwas ins Ohr. Von Böselager nickt. Dann geht es weiter an Tisch 2. Doch zunächst läuft es nicht gut. 0:2, 1:4. „Mist“, entfährt es einem der beiden. Aschauer schaut etwas ratlos. Aber das Team steigert sich. Sie wirken konzentrierter, treffen die Aufschläge besser, machen mehr Druck. Und gewinnen den Satz und das Spiel. Aschauer und von Böselager ballen die Jubelfaust, sie stehen im Achtelfinale. Die beiden 13-jährigen Talente von der TTG Buxtehude traten am Sonntag beim Neujahrsturnier in der Hedendorfer Waldsporthalle an und stehen beispielhaft für die Aufbruchstimmung in dieser Sportart.

Dazu muss man wissen: In den letzten 20 Jahren haben die Vereine in Deutschland rund 150.000 Tischtennisspieler verloren. Und das trotz internationaler Erfolge. Zuletzt holten die deutschen Frauen Gold bei der Team-EM, die Herren verloren das Finale. Der Breitensport hingegen scheint langsam auszusterben. Doch einige Vereine in der Region wollen gegensteuern und verstärken ihre Jugendarbeit.

Sonntag, Waldsporthalle Hedendorf. Es ist der vierte Turniertag des 39. Neujahrsturniers. Heute sind die Kinder und Jugendlichen dran. 58 Teilnehmer, ein neuer Rekord. An allen zwölf Platten klackern die weißen Polyesterbälle. Der Zeitplan ist straff. „Die Kinder sollen sich maximal zwei Minuten einspielen“, sagt Turnierleiter Michael Friebel, es ist 11.30 Uhr. Wenn alles glatt läuft, steht gegen 20 Uhr der Sieger oder die Siegerin fest. Durch eine Scheibe im Büro der Turnierleitung hat er das Geschehen im Blick.

Sie machten eine Bestandsaufnahme, organisierten Treffen mit den Trainern, benannten Ansprechpartner für die Mannschaften, warben in einer Grundschule, im Freizeithaus und im Internet für den Sport, führten ein Extra-Training für die größten Talente ein. Sie wollten die Gemeinschaft stärken, ein gutes Trainingsangebot schaffen, und möglichst keine Einheit ausfallen lassen. Das hat offensichtlich funktioniert. Heute spielen knapp 30 Kinder und Jugendliche in der TTG, einer Spielgemeinschaft der VSV Hedendorf/Neukloster und der SG Buxtehude-Altkloster. Aus zwei sind vier Mannschaften geworden. In dieser Hinsicht ist kaum ein anderer Verein im Kreis Stade besser aufgestellt. Auch andere Vereine legen sich ins Zeug. Der TTC Drochtersen kooperiert mit einer Grundschule, lässt die Schülerinnen und Schüler gegen einen Tischtennisroboter spielen und erkennt so Talente. „Im Mädchen-Tischtennis sind wir führend“, sagt der Vorsitzende Frank Nickel. In Drochtersen spielen zwölf Mädchen Tischtennis. „Seit drei, vier Jahren geht es wieder voran“, sagt Cedric Czylwik, stellvertretender Jugendreferent beim Kreisverband Stade. Zwölf Vereine im Kreis leisten Jugendarbeit. Als Einzelkämpfer trainiert der 22-Jährige selbst 20 Kinder und Jugendliche beim TSV Apensen. Beim VfL Fredenbeck lebt die Jugendarbeit seit einem Jahr wieder auf. Czylwik spricht von einer „Aufbruchstimmung“.

Lennart Aschauer spielt den Ball mit der Rückhand ins Aus und kneift kurz die Augen zusammen. Weiter geht‘s. Mit Topspin und guter Beinarbeit holt er den nächsten Punkt, lächelt leicht. „Gut platziert!“, kommentiert Doppelpartner Johann von Böselager. Die beiden haben ihre älteren und größeren Gegner im Griff. Am Ende belegen sie Platz drei. Seit zwei Jahren spielt Aschauer Tischtennis. Mit dem Fußball hat er vor kurzem aufgehört. „Hier habe ich mehr Spaß“, sagt er. Ihm gefällt das Strategische beim Tischtennis, den Gegner zu lesen, seine Schwächen auszunutzen. Im vergangenen Jahr hat sich der Linkshänder dann einen neuen Schläger gekauft. „Der alte war viel zu langsam“, sagt er. Jetzt, mit dem härteren Belag, könne er mehr Spin auf den Ball bringen, das passe besser zu seinem offensiven Spiel. 80 Euro hat Aschauer dafür ausgegeben. Die Jugendtrainer dürften so etwas gerne hören. Friebel: „Das zeigt, dass die Talente bei uns bleiben wollen.“ Vielleicht darf Aschauer in der nächsten Saison auch mal bei den Herren spielen. Verlieren will ihn der Verein nicht.